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Case Study: 8.000 Wörter in 36 Stunden

Übersetzungen benötigen Zeit – je nach Länge des Textes können das auch mehrere Tage oder sogar Wochen sein. In dem Fall, den wir heute vorstellen möchten, hatten wir jedoch genau das nicht. Glücklicherweise finden unsere Projektmanager auch in Situationen, die auf den ersten Blick ausweglos erscheinen, die passende Lösung für unsere Kunden. Für ein Projekt des Teams Klinische Studien wurde mit Hilfe maschineller Übersetzung für ein CRO (Contract Research Organisation oder auch Clinical Research Organisation, deutsch: Auftragsforschungsinstitut) ein RFI-Dokument (Request for Information) mit über 8.000 Wörtern aus CTIS aus dem Französischen ins Englische übertragen – und das innerhalb von nur 36 Stunden zwischen der Freigabe des Angebots und der Lieferung. 

Der Kunde gehört seit 2022 zum festen Kundestamm des Teams Klinische Studien. In dieser Zeit wurden über 800 Projekte gemeinsam durchgeführt. Für zwei Tochterfirmen ist mt-g bereits seit 2012 und 2015 im Einsatz.

 

Die Anfrage

Projektmanagerin Yana Safina erhielt an einem Nachmittag eine Eilanfrage für eine Übersetzung und Revision nach ISO 17100. Bei dem Dokument handelte es sich um ein bilinguales RFI-Dokument aus CTIS, dem Kommunikationsportal der europäischen Arzneimittel-Agentur, kurz EMA. Der Umfang des Projektes betrug 8.138 Wörter. Dies entspricht, ausgehend von Schriftgröße 12 der Schriftart Times New Roman, ungefähr 14 vollständig beschriebenen DIN A4-Seiten. Das vom Kunden gewünschte Lieferziel für die Übersetzung aus dem Französischen ins Englische betrug zwei Tage. Eine Übersetzung nach ISO 17100 ist bei RFI-Dokumenten empfehlenswert, jedoch nicht durch gesetzliche oder regulatorische Vorgaben verpflichtend.

 

Die Herausforderung

Um das Projekt erfolgreich umzusetzen, mussten mehrere Faktoren beachtet und Lösungen gefunden werden, die den Kundenanforderungen entsprachen.

 

1. Zeitdruck

Einen Text mit einem Umfang von 8.000 Wörtern innerhalb von zwei Tagen nach ISO 17100 zu übersetzen, ist ohne Qualitätsverlust nicht realisierbar. Bei Einsatz eines Humanübersetzers mit anschließender Prüfung durch einen zweiten Übersetzer nimmt die Übersetzung sechs bis sieben Tage in Anspruch. Der Kunde benötigte die Übersetzung jedoch bereits in zwei Tagen.

 

2. Ressourcen

Für RFI-Dokumente aus CTIS gelten Spezifikationen, die auch für die Übersetzung zu beachten sind. Dadurch und durch die Anforderungen der ISO 17100 war die Auswahl an verfügbaren Übersetzern im Hinblick auf den engen Zeitplan stark eingeschränkt.

 

3. Spezifische Formatierung der Datei

Der Aufbau von RFI-Dokumenten wird von einem Template aus CTIS vorgegeben. Außerdem können die Dokumente nur direkt auf der Plattform ausgefüllt werden. Dies bedeutet, dass auch Texte, die übersetzt werden sollen, im ersten Schritt in die Vorlage in CTIS eingetragen werden müssen. Anschließend können sie als PDF-Datei aus CTIS exportiert werden.
Die Vorlage selbst ist auf Englisch; die eingetragenen Texte hingegen (hier in Blau unkenntlich gemacht) können in jeder europäischen Sprache eingereicht werden. Im vorliegenden Projekt waren diese Texte auf Französisch. 

 

Um eine PDF-Datei zu übersetzen, muss man sie zunächst in ein bearbeitbares Format konvertieren, vorzugsweise Microsoft Word. Während des Konvertierungsprozesses werden die Überschriften aus CTIS (zum Beispiel „Consideration Number“ oder „Application section part“) automatisch mitkonvertiert und anschließend zusammen mit dem variablen Formularinhalt in das CAT-Tool eingespielt. Da die Überschriften auf Englisch belassen werden sollten, mussten sie aus der Kalkulation und dem Übersetzungsprozess herausgenommen werden. Dies führte zu einem zusätzlichen Schritt in der Vorbereitung der Übersetzung.

 

4. Zitieren des Originaltextes in der Übersetzung

Ein RFI-Dokument ist in verschiedene „Considerations“ gegliedert. Considerations sind Anmerkungen der EMA. Bei einer solchen Consideration musste das französische Original zitiert und die englische Übersetzung in Klammern angegeben werden. Auch in diesem Fall mussten im CAT-Tool entsprechende Anpassungen vorgenommen werden, damit auf das französische Original Bezug genommen werden konnte und gleichzeitig direkt erkennbar war, welche Passagen aus dem Originaldokument stammten und welche Passagen die Übersetzung darstellten.

 

5. Prozess

Da es für diesen Kunden das erste Projekt war, bei dem maschinelle Übersetzung eingesetzt wurde, gab es noch keinen Standardprozess für maschinelle Übersetzung und Post-Editieren nach ISO 18587.

 

Die Lösung

Nach intensiven Rücksprachen mit dem Kunden wurde gemeinsam entschieden, das Projekt mittels maschineller Übersetzung zu realisieren und ein vollständiges Post-Editieren nach ISO 18587 durchzuführen. Vollständiges Post-Editieren sorgt dafür, dass kein Qualitätsverlust gegenüber einer Humanübersetzung nach ISO 9001 feststellbar ist.

 

Die Anwendungsbereiche für maschinelle Übersetzung nehmen stetig zu – auch im Bereich klinische Studien. Wichtig dabei ist immer abzuwägen, welche Projekte für maschinelle Übersetzung geeignet sind und dass die Texte nach ISO 18587 posteditiert werden. Die Übersetzungsmöglichkeiten und den Projektablauf stimmen wir genau mit unseren Kunden ab, um Ihnen so das bestmögliche Ergebnis zu liefern.

Yana Safina

Die für das Projekt verantwortliche Projektmanagerin Yana Safina ging bei der Lösungsfindung wie folgt vor: Im ersten Schritt wurde geprüft, welche möglichen Workflows für die Übersetzung in Hinblick auf die Art des Dokuments, die Textmenge und den engen Zeitrahmen in Betracht kamen. Es standen drei mögliche Vorgehensweisen zur Auswahl:

 

1. Humanübersetzung mit Eilzuschlag

Da die Textmenge innerhalb von zwei Tagen von einem einzelnen Übersetzer nicht zu bewältigen war, wurde diese Möglichkeit verworfen.

 

2. Partitionierte Humanübersetzung

Bei einer partitionierten Übersetzung wird der Text auf mehrere Übersetzer aufgeteilt. Da dies jedoch zu Inkonsistenz innerhalb der Übersetzung führen kann und sich ein deutlich höherer Zeitaufwand für das anschließende Lektorat ergibt, wurde auch diese Möglichkeit verworfen.

 

3. Maschinelle Übersetzung und Posteditieren nach ISO 18587

Nach genauer Prüfung des Textes auf die Eignung für maschinelle Übersetzung durch einen internen Experten wurde dem Kunden diese Möglichkeit angeboten. Eine maschinelle Übersetzung inklusive Posteditieren nach ISO 18587 entspricht der Qualität einer Übersetzung nach ISO 9001. 

Im zweiten Schritt wurden die drei Möglichkeiten mit dem Kunden abgestimmt, der daraufhin die maschinelle Übersetzung mithilfe einer cloudbasierten Engine freigab. Während Yana Safina aus dem mt-g-Pool an geprüften Fachübersetzern einen geeigneten Post-Editoren auswählte und beauftragte, übernahm das Team Translation & Localisation Engineering im nächsten Schritt die technische Vorbereitung des Projektes. Diese beinhaltete unter anderem das Einlesen der englischsprachigen Vorlage des RFI-Dokuments in das CAT-Tool, sodass die englischen Überschriften aus Übersetzung und Kalkulation ausgenommen werden konnten. Im Anschluss konnte die maschinelle Übersetzung im CAT-Tool per cloudbasierter Engine starten. Zum Schluss lektorierte ein Post-Editor den Text entsprechend der Vorgaben der ISO 18587.

 

Das Ergebnis

Das Übersetzungsprojekt mit insgesamt 8.000 Wörtern konnte durch den Einsatz maschineller Übersetzung und anschließendes Posteditieren in der vorgegebenen Zeit umgesetzt werden. Neben der Zeitersparnis ergab sich für den Kunden auch eine Kostenersparnis um 35 Prozent gegenüber einer Humanübersetzung nach ISO 17100. Dank optimaler technischer Vorbereitung konnten auch die Vorgaben für RFI-Dokumente aus CTIS eingehalten werden und das Projekt wurde zur vollsten Zufriedenheit des Kunden umgesetzt.

 

Für den Kunden hatte eine schnelle Lieferung höchste Priorität. Ich bin sehr glücklich, dass wir auch diesen Wunsch erfüllen konnten, und freue mich schon auf die nächste Herausforderung.

Yana Safina